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Tetralemma – neue Wege zwischen Ja und Nein

Manchmal glauben wir, nur zwei Wege zu sehen:
richtig oder falsch, gehen oder bleiben, ja oder nein.
Doch das Leben denkt weiter.
Es kennt Zwischenräume, Übergänge, feine Nuancen.
Das Tetralemma öffnet diesen Raum –
den Raum jenseits der Gegensätze.

Ursprünglich aus der altindischen Philosophie stammend und später durch die systemische Arbeit wiederbelebt, lädt das Tetralemma uns ein, mehr als nur zwei Perspektiven zu betrachten.
Es ist ein Denk- und Fühlmodell, das uns ermutigt, das Paradoxe zu umarmen und Widersprüche nicht als Hindernis, sondern als Tor zu neuer Klarheit zu sehen.

Im Coaching wird das Tetralemma genutzt, um festgefahrene Gedanken zu lockern.
Im Leben wirkt es wie ein stiller Lehrer –
es erinnert uns daran, dass Wahrheit oft mehrstimmig ist.

„Zwischen dem Einen und dem Anderen liegt ein weites Feld – dort beginnt Freiheit.“ (nach Rumi)

Übung zur Selbstreflexion

Nimm dir einen Moment der Stille.
Wähle eine Situation, in der du dich unentschieden fühlst – etwas, das in dir „zieht“.

Setze dich aufrecht hin, atme ruhig und stelle dir vor, du gehst gedanklich oder sogar körperlich die fünf Positionen ab.
Lege für jede Position einen Platz im Raum fest, zum Beispiel mit einem Tuch oder Kissen.

1. Das Eine – Trete auf den ersten Platz. Spüre, wie es sich anfühlt, ganz bei dieser Möglichkeit zu sein. Was spricht dafür?

2. Das Andere – Wechsle den Platz. Wie verändert sich die innere Haltung? Welche Gedanken oder Gefühle tauchen auf?

3. Beides – Stelle dir vor, dass du beide Positionen gleichzeitig einnimmst, innerlich oder mit einem Fuß auf jeder Position. Beobachte: Welche Gedanken und Gefühle können nebeneinander existieren? Wie wäre es möglich, dass beide Optionen gleichzeitig wahr sein könnten?
(Hier geht es nicht darum, eine Entscheidung zu treffen, sondern die Verbindung zwischen beiden Möglichkeiten zu spüren.)

4. Keines von Beidem – Tritt einen Schritt zurück. Wie fühlt es sich an, beide Optionen loszulassen? Welche Ruhe entsteht?

5. Etwas ganz Anderes – Wende dich einem neuen Punkt im Raum zu. Vielleicht weißt du noch nicht, was hier entstehen wird – aber öffne dich der Möglichkeit, dass das Leben selbst antwortet.

Atme. Lausche.
Oft zeigt sich an diesem Punkt etwas Unerwartetes – eine neue Sicht, eine innere Klarheit, ein leises „Ah, so ist es also“.

Die fünf Positionen des Tetralemmas

1. Das Eine – die erste Möglichkeit, der vertraute Weg, die bisherige Sicht.

2. Das Andere – die Gegenposition, das scheinbar entgegengesetzte Bild.

3. Beides – das Sowohl-als-auch, die Verbindung der Gegensätze

4. Keines von Beidem – das Loslassen aller bisherigen Antworten.

5. Etwas ganz Anderes – das Neue, das erst im Raum der Offenheit entstehen kann.

Das Tetralemma lädt dich ein, neue Wege zu denken, zu fühlen und zu sein.

Das Tetralemma ist weniger ein Entscheidungswerkzeug als ein Bewusstseinsweg.
Es führt dich von der Enge des Entweder-Oder in die Weite des Sowohl-als-auch – und manchmal weiter, in das stille Feld von „etwas ganz anderem“, das nur das Leben selbst kennt.

Warum Tetralemma, obwohl es fünf Positionen hat?

Der Name „Tetralemma“ kommt aus dem Griechischen: tetra = vier.
Ursprünglich wurden nur die vier klassischen Perspektiven betrachtet: das Eine, das Andere, beides, keines von beiden.
Die fünfte (metalogische) Position – etwas ganz Anderes – wurde später ergänzt, um den Raum für neue, unerwartete Möglichkeiten zu öffnen.
So bleibt der alte Name erhalten, während das Tool heute alle Dimensionen menschlicher Entscheidungs- und Bewusstseinsspielräume abbildet.